Alles, was Sie über Pilze wissen sollten
Es gibt Köstlichkeiten, die auch für viel Geld nicht zu kaufen sind. Oder zumindest nur sehr, sehr selten. Wann haben Sie das letzte Mal etwa eine Krause Glucke auf dem Markt gesehen, wann einen Kaiserling? Eben. Dabei stehen sie gratis für jedermann frei verfügbar im Wald – bloß finden muss man sie.
Krause Glucke und Kaiserling sind kös köstliche, aber selten gehandelte Pilze. Die Glucke, ein korallenförmiger, fleischiger Pilz mit herrlichem Aroma, wächst vorzugsweise auf alten Föhrenstämmen. In guten Jahren ist sie zum Beispiel im Waldviertel leicht zu pflücken. Der Kaiserling, der so heißt, weil die römischen Cäsaren ihn hoch schätzten, ist zumindest für geübte Sammler im südlichen Burgenland aufspürbar.
Die zwei sind zum Glück nur ein winziger Ausschnitt der Köstlichkeiten, die aus dem Waldboden sprießen: Weltweit soll es rund 1000 essbare Pilzarten geben – allerhöchstens ein Dutzend davon schafft es regelmäßig auf unsere Teller. Auch in heimischen Wäldern gibt es noch reichlich zu entdecken, vom Knoblauchschwindling (Nomen est omen) bis hin zu manchen Täublingsarten, die scharf wie eine Chili sind und in kleinen Dosen eine tolle Würze abgeben.
Pilze gehören mit zum Köstlichsten, was die Natur hervorgebracht hat:
 


Waldegerling


Buchenpilz


Schopftintling


Riesenchampignon


Maronenröhrling


Austernpilz


Herbsttrompete


Parasol


Gemeiner

Samtflussrübling

Manche sind ganz für sich genossenso gut, dass ihnen nichts hinzuzufügen ist, fast wie rohe Meeresfrüchte. Ein dünn gehobelter frischer Steinpilz etwa braucht nicht viel mehr als etwas Salz, gutes Olivenöl und Ziegenkäse, um geschmackliche Perfektion zu erreichen. Andere haben die Gabe, alles, womit sie in Berührung kommen, besser zu machen: Es gibt wenig Gutes, das mit ein bisserl gehobelter Trüffel drauf nicht noch köstlicher wird.
Große Köche rund um die Welt entdecken daher immer mehr das Reich der Pilze für sich: Michael Ryan etwa, Chefkoch des legendären »Elements« in Princeton, legt gern lokale Matsutake auf den Grill eine seltene, sonst nur in Japan geschätzte Art; das »Noma« in Kopenhagen hat in der Saison mitunter dutzende Pilzarten auf der Speisekarte, und in Österreich experimentiert Überkoch Heinz Reitbauer seit Jahren mit den Geschmacksbomben aus dem Wald.
Ein wesentlicher Grund, dass uns Pilze so gut schmecken, ist, dass sie ziemlich viel Glutamat und andere freie Aminosäuren enthalten. Sie sind also natürliche Geschmacksverstärker. Die meisten werden aromatisch noch intensiver, wenn man sie trocknet. Klassisch sind die in dünne Scheiben geschnittenen Steinpilze oder im ganzen getrocknete Herbsttrompeten, aber auch Hexenröhrlinge oder Parasolstiele lassen sich wunderbar trocknen. Alle sorgen sie dafür, dass etwa aus einer ordinären Suppe Großes wird.
Wer seine Pilze frisch essen mag, hebt sie am besten nur kurz auf und lagert sie kalt, besser werden sie mit der Zeit nämlich nicht. Waschen ist, ganz gegen hartnäckige Mythen, kein Problem. Pilze bestehen ohnehin größtenteils aus Wasser, das wird auch nicht mehr, wenn sie kurz abgespült werden. Bloß einweichen sollte man sie nicht, da sie sich sonst vollsaugen können.
Einige Mitglieder der Speisepilz-Familie haben es zu beachtlichem Ruhm und ebensolchen Preisen gebracht: Die Japaner zahlen Unsummen für Matsutake, die berühmten Pinienpilze mit ihrem an Zimt erinnernden Aroma (wer Glück hat, kann sie mitunter in Kärnten finden). Huitlacoche, eine Art Maisschimmelpilz, wird in Mexiko teuer gehandelt und meist zum Würzen verwendet (und wächst bei uns manchmal auf Biomais). Und in der ganzen Welt werden tausende Euro für ein Kilo weiße Trüffel aus Norditalien oder Dalmatien bezahlt.
Andere Mitglieder der Familie werken nach wie vor bescheiden im Verborgenen: Wer hat schon einmal von Penicillium roqueforti gehört, jenem Schlauchpilz, dem wir den köstlichen Blauschimmelkäse verdanken, oder Penicillium camemberti, der, Sie ahnen es bereits, dem Camembert die weiße Rinde und viel von seinem Geschmack gibt? Weltberühmt hingegen sind ihre Cousins, jene Penizilline, denen wir Antibiotika und daher vielfach unser Leben verdanken.
Manche Pilze, etwa Austernseitlinge und Champignons, sind äußerst leicht zu züchten: Sie ernähren sich von abgestorbenem organischem Material und können daher leicht auf alten Baumstämmen, Strohballen oder gar Kaffeesud in Wiener Kellern (googeln Sie »Pilz und Stiel, Wien«!) gezogen werden. Sie werden daher bereits seit der Antike kultivert – damals vor allem in natürlichen Höhlen. Diese Art der Pilzzucht kann man bis heute etwa in Istrien, in der Gegend von Pula, und in Italien finden.
Andere aber leben in einer Symbiose mit Bäumen.  Deren Wurzeln versorgen sie mit Zucker, der Pilz wiederum gibt seinerseits Mineralien zurück. Weil diese Symbiose komplex ist und kaum kopiert werden kann, widersetzen sie sich hartnäckig allen (wirtschaftlichen) Domestizierungsversuchen. Sie ist im Zusammenspiel mit der Witterung auch der Grund, warum der Wald in manchen Jahren körbeweise Pilze hergibt, in anderen aber kaum ein oder zwei Exemplare.
Zu dieser Art gehören ausgerechnet die besten unter den Pilzen: Neben den bereits genannten Trüffeln etwa auch Morcheln oder Boletus edulis, wie der Steinpilz in der Fachsprache heißt.
Er wurde bereits von den alten Römern sehr geschätzt und auch als Medizin, etwa gegen Sommersprossen, verwendet. Trotzdem nannten sie ihn Schweinepilz, entweder, weil die kleinen, jungen Fruchtkörper sie an Frischlinge erinnerten, oder weil die Wildschweine den Pilz so gerne fraßen. Seine italienische Bezeichnung, Porcino, kleines Schwein, zeugt bis heute davon. Noch immer ist es niemandem gelungen, sie erfolgreich zu kultivieren. Das mag man ärgerlich finden – es sorgt aber dafür, dass neben ihrem köstlichen Duft sie stets auch ein Hauch von Goldgräber-Romantik umweht. Und es stellt sicher, dass manche, so gut sie sein mögen, ein rarer Genuss bleiben werden, den man nur selten für Geld kaufen kann.